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Vorurteile am Arbeitsplatz

 

Eine Stelle soll mit einem neuen Mitarbeiter besetzt werden. Sofort haben wir eine gewisse Vorstellung, wie dieser Mitarbeiter sein soll. Oft legen wir hierbei nicht nur seine fachlichen Kompetenzen fest, sondern auch, wie wir ihn uns als Person vorstellen. Sein Alter, sein Geschlecht, ja sogar sein Aussehen muss unseren Vorstellungen entsprechen. Warum? Ganz einfach, wir haben unsere Vorstellungen, nach denen wir uns die Menschen in unserer Umgebung, also auch am Arbeitsplatz, aussuchen.

 

Zunächst gibt es daran nichts Schlimmes, solange wir dem neuen Kollegen auch die Chance einräumen, unser Bild von ihm zu revidieren. Doch so richtig schlimm wird es, wenn Vorurteile dem anderen keine Möglichkeit mehr geben, die Meinung der lieben Kollegen zu ändern.

 

1. Vorurteil: Das Aussehen

Wer glaubt, dass das Aussehen bei einer Einstellung keine Rolle spielt, ist naiv. Denn gerade das ist es, was wir von unserem Gegenüber als erstes wahrnehmen und was wir täglich sehen. Schon während der ersten Sekunden seines Auftretens scannen wir ihn und so manches Vorurteil im Hinterkopf wird sofort aktiviert. Vielleicht ist er oder sie etwas übergewichtig, dann kann es passieren, dass wir die Person für unflexibel, willensschwach halten. Oder wir überlegen uns, welche Krankheiten die Person auf Grund ihres Gewichtes in Kürze bekommen könnte.

 

Keiner von uns kann diesen Vorgang des Scannens abstellen. Er liegt uns so zu sagen in den Genen. Für unsere Vorfahren war er überlebenswichtig. Innerhalb von Sekunden mussten sie entscheiden, ob sie Feind oder Freund vor sich hatten und eventuell fliehen mussten.

 

Vorurteile gegenüber dem Aussehen entstanden durch Erfahrungen. Es gab Zeiten, da hatten erfolgreiche Menschen ein gewisses Körpervolumen. Sie hatten Geld, um sich mehr als ausreichend zu ernähren.

 

Heute sehen wir dies leider nicht mehr so.

Bei uns gelten dicke Menschen als willensschwach. Wenn sie einen starken Willen hätten, dann würden sie nur so viel essen, dass sie nicht zunehmen, oder nur die Dinge zu sich nehmen, die gesund sind.

 

Die moderne Hirnforschung geht aber einen ganz anderen Weg.

So schreibt Prof. Achim Peters in seinem Buch "Mythos Übergewicht", dass das Gehirn bei Stress mehr Energie benötigt als bei Nichtstress. Um diese Energie zu erhalten, holt es sich bei dem einen Stresstyp die Energie aus dem vorhandenen Muskel- und Fettgewebe. Diese Menschen werden also auch bei Dauerstress nicht dick.

Bei dem zweiten Stresstyp wendet das Gehirn eine andere Taktik an. Es signalisiert einen Mehrbedarf an Nahrung, um seine benötigte Energie zu erhalten. Da wir in einem Land wohnen, in dem Nahrung im Überfluss vorhanden ist, bekommt der Körper seine Energie und nimmt leider auch zu.

Jetzt könnte man ja sagen, dass die Person doch einfach nicht mehr zu essen bräuchte. Doch damit steigt der Stresspegel im Gehirn und dies fordert noch mehr Energie an.

 

Gegen den Metabolismus, die genetische Einstellung unseres Körpers können wir nicht ankommen. Es wird immer schlanke und dickere Menschen geben.

Deswegen kann es letztlich nicht darum gehen, nur eine Sorte Menschen einzustellen, sondern die Vorteile zu erkennen, die beide Menschentypen haben. Auch beleibte Menschen bieten Firmen Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen sind. Sie können, bei gleicher fachlicher Kompetenz, alle Aufgaben genauso gut erledigen wie schlanke Menschen, oftmals bringen sie darüber hinaus eine entspanntere und gelassenere Haltung mit, die sich für einen Betrieb positiv auszahlt.

 

2. Vorurteil: Das Alter

Es gibt heute kaum ein Alter, das Vorurteilen keine Nahrung bietet. Je nach Stellenausschreibung erhält das Alter des Bewerbers mehr oder weniger Gewicht.

 

Handelt es sich bei der offenen Stelle um eine langfristige Besetzung, schrecken viele davor zurück, diese mit Frauen zu besetzten, bei denen man noch von einem Kinderwunsch ausgeht. Vielleicht spricht auch hier die Erfahrung. Natürlich ist es für jeden Arbeitgeber ein Risiko.

Aber es gilt zu bedenken, dass die Schwangerschaft und die Elternzeit nur temporäre  Schwierigkeiten bedeuten, die sich später positiv für einen Betrieb auszahlen können.

 

Ältere Mitarbeiter erleben häufig, dass ihnen mangelde Einsatzbereitschaft unterstellt wird. Manche Arbeitgeber befürchten, dass sich Arbeitnehmer ab einem gewissen Alter schlecht in ein Team mit jüngeren Kollegen integrieren lassen. Dass dem nicht so ist, belegen viele positive Beispiele in der Fachliteratur. Gerade große Firmen holen ältere Mitarbeiter aus dem Ruhestand zurück in den Betrieb. Der Grund ist nicht nur der Fachkräftemangel, sondern auch die Erfahrungen der älteren Mitarbeiter. Hiervon können die jüngeren sehr profitieren. Wichtig ist nur, dass die jüngeren die älteren Kollegen nicht als Konkurrenten sehen, sondern als Kollegen, die aus dem einen oder anderen Fehler schon gelernt haben, den die jüngeren dann nicht mehr machen müssen.     

 

3. Vorurteil: Das Geschlecht   

Eigentlich hatten wir ja auf einen männlichen Kollegen gehofft, weil ...

Den Satz kann jeder für sich weiterführen. Häufig werden mit der Neubesetzung einer Stelle Wünsche an ein bestimmtes Geschlecht gestellt. Gerade wenn ein Geschlecht in der absoluten Überzahl ist, wünscht man sich einen Bewerber des anderen Geschlechtes zum Ausgleich. Wird dieser Wunsch bei der Besetzung nicht berücksichtigt, hat der neue Kollege einen schweren Start.

Hier hilft es, gleich zu Beginn offen über die Vorstellungen der Kollegen zu sprechen.

Durch das offene Gespräch bekommt der neue Kollege die Möglichkeit, das Verhalten seiner Kollegen besser zu verstehen und sich besser zu integrieren.  

 

Wie wir sehen, sollte man Vor-Urteile über andere immer und grundsätzlich überprüfen. Wir leben nicht mehr in der Wildnis, in der es oft auf Sekundenbruchteile und damit auf Vor-Urteile ankam, um zu überleben, weil es galt, lieber einmal mehr wegzulaufen ohne Grund, als von einem Säbelzahntiger gefressen zu werden.

In der modernen Welt ohne Säbelzahntiger aber führen Vor-Urteile oft dazu, dass wir Chancen übersehen und wichtige Mitarbeiter, die wir brauchen, nicht erkennen – weil wir meinen, wir müssten uns an vorgefertigten Urteilen orientieren.

 

 

 

Literaturhinweis: "Mythos Übergewicht" Warum dicke Menschen länger leben

                        von Achim Peters erschienen 2013 bei C. Bertelsmann

                        ISBN 978-3-570-10149-0


 

 

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