Geheimcode Zeugnissprache
Jeder, ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber hat schon mal ein Arbeitszeugnis gelesen oder sogar geschrieben.
Gerade Arbeitnehmer sind häufig unsicher, ob sie eine gute Beurteilung erhalten haben.
Weil ein Arbeitszeugnis keine offensichtlich schlechte und somit dem Arbeitnehmer zum Nachteil gereichende Beurteilung enthalten darf, hat sich eine Zeugnissprache in der Arbeitswelt etabliert, die positiv klingt, aber oft sehr negativ interpretiert wird.
Hier ein paar Beispiele, die häufig in Zeugnissen zu lesen sind:
1. "Hr. M. verfügt über Fachwissen und zeigte ein gesundes Selbstvertrauen."
Bedeutung: Hr. M. weiß nicht viel, vertritt dies mit einer großen Klappe.
2. "Hr. M. hat alle Arbeiten ordnungsgemäß erledigt."
Bedeutung: Hr. M. hat alle Arbeiten ordnungsgemäß erledigt, zeigte darüber hinaus aber keine Eigeninitiative.
3. "Die Trennung erfolgte in gegenseitigem Einvernehmen."
Bedeutung: Es wurde ein Aufhebungsvertrag von beiden Seiten unterschreiben.
4. "Hr. M. zeigte ein einwandfreies Verhalten gegenüber Kollegen."
Bedeutung: Er hat sich gegenüber Kollegen aber nicht Vorgesetzten korrekt verhalten.
5. "Mit seinen Vorgesetzten ist Hr. M. gut zurechtgekommen."
Bedeutung: Er ist ein Mitläufer der sich gut zu verkaufen weiß.
6. "Hr. M. hat die ihm übertragenen Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit erledigt."
Bedeutung: Hr. M. hat alles prima gemacht.
Obwohl es in der deutschen Sprache vollsten nicht gibt, hat sich diese Steigerungsform in der Zeugnissprache eingebürgert.
7. "Wir wünschen ihm für die Zukunft viel Erfolg"
Bedeutung: Bei uns hatte er keinen.
Lautet der Satz:.... weiterhin viel Erfolg, war er auch bei diesem Arbeitgeber erfolgreich
8. "Seine Pünktlichkeit war vorbildlich"
Bedeutung: Pünktlichkeit war auch das einzig Vorbildliche.
Immer wenn eine Eigenschaft besonders hervorgehoben wird, zeigt dies, dass alle anderen wichtigen Eigenschaften nicht ausreichend ausgeprägt waren.
9. "Im Kollegenkreis galt er als toleranter Mitarbeiter"
Bedeutung: Hr. M. legte sich regelmäßig mit dem Chef an.
10. "Allen Aufgaben hat er sich mit Begeisterung gewidmet."
Bedeutung: Begeisterung war zwar vorhanden, aber ohne Folgen.
11. " Wir danken für seine Mitarbeit"
Bedeutung: Er war anwesend, mehr aber auch nicht."
Eine positivere Formulierung lautet: "Wir bedauern sein Ausscheiden sehr und danken ihm für die stets guten Leistungen."
Natürlich muss ein Zeugnis immer im Kontext gelesen werden und nicht nur die einzelnen Passagen oder gar Sätze. Wer unsicher ist, oder wen gar ein negatives Gefühl beim Durchlesen beschleicht, sollte das Zeugnis von Fachleuten gegenlesen lassen. Sie müssen nicht jedes Zeugnis einfach hinnehmen. Sprechen Sie Ihren Arbeitgeber ruhig darauf an. Vielleicht hat er es auch unwissend falsch formuliert.